Fast 65 Jahre hat der letzte noch lebende Augenzeuge des Massakers von Baugnez eisern über dieses tragische Ereignis geschwiegen, doch jetzt sah sich Alfred Bodarwé veranlasst, dem Grenz-Echo zu schildern, wie er das Kriegsverbrechen vom 17. Dezember 1944 erlebt hat.
Warum der heute 81-jährige gebürtige Weismeser mit Wohnsitz Recht-Kaiserbaracke nach so vielen Jahren sein Schweigen bricht, hat einen besonderen Grund: »Es ist so vieles über Baugnez gesagt und geschrieben worden, was einfach nicht stimmt. Nach dem Malmedy-Prozess 1946 wurde der Öffentlichkeit eine historische Wahrheit präsentiert, die mit dieser aus meiner Sicht nicht viel zu tun hat.«
Er selbst habe all die Jahre hartnäckig geschwiegen, weil es ihm sehr schwer gefallen sei, diese schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten »und weil mich die vielen Lügen, die nach dem Krieg über Baugnez verbreitet wurden, fürchterlich gestört haben. Oft genug standen Journalisten und wissbegierige Historiker vor meiner Haustür, aber um meinen Frieden zu haben und mit der Sache abschließen zu können, habe ich lieber den Mund gehalten.«
30 statt 84 Gefangene?
Dennoch sei er zwangsläufig immer wieder mit den Ereignissen vom Winter 1944 konfrontiert worden. »Ich komme oft an der Kreuzung von Baugnez vorbei und dann kocht die Erinnerung wieder hoch. Aber wenn ich dann sehe, dass an dem Denkmal und bei den regelmäßigen Gedenkfeierlichkeiten 84 amerikanischen Kriegsgefangenen gedacht wird, die angeblich bei dem Massaker ums Leben gekommen sein sollen, kann ich nur sagen, dass das so nicht stimmt. Ich möchte das Geschehene nicht verharmlosen. Jedes Kriegsopfer ist eines zu viel. Wir haben es mit einem schrecklichen Vorfall zu tun, der mich bis an mein Lebensende verfolgen wird. Doch nach meinen Beobachtungen sind auf der Wiese höchstens 30 amerikanische Gefangene gefallen.«
Als Beleg führt er die Fotos an, die unmittelbar nach den Geschehnissen vom Tatort gemacht wurden. »Und dann immer wieder die Aussagen, die Soldaten seien im Schnee gefallen, dabei lag am 17. Dezember 1944 keine Flocke Schnee. Es hat erst ab dem 22. Dezember geschneit.«
Fluchtversuch?
Unklar sind aus seiner Sicht bis heute auch die Umstände, die zur Erschießung der Gefangenen geführt haben. »Obwohl sich die Geschehnisse im Nachmittag abspielten, war es sehr dunkel und die Sicht sehr schlecht. Das Café Bodarwé und mehrere Lkw standen nach Granatenbeschuss in Flammen. Man hatte den Eindruck, der Himmel würde auf die Erde fallen. Wollten einige der auf der Wiese zusammengetriebenen Gefangenen einen Augenblick der Unaufmerksamkeit nutzen, um zu flüchten? Diese Frage kann auch ich nicht beantworten. Mein Eindruck ist, dass eine deutsche Panzergranate einen mit Munition beladenen amerikanischen Lkw getroffen hat. Diese Munition muss in die Luft geflogen sein. Weil die Lage so undurchsichtig war, fühlten sich die Soldaten der Kampfgruppe Peiper vermutlich bedroht und haben begonnen, wild um sich zu schießen. Es gab zweimal kurzes, aber heftiges Maschinengewehrfeuer, danach war es still. Es ist aber Unfug, dass die Gefangenen in Reih und Glied stehend aus einem Lkw unter Beschuss genommen wurden. Auch das belegen die Fotos vom Fundort der Leichen.«
Der Wahrheit am nächsten kommt nach Einschätzung von Alfred Bodarwé der flämische Autor Gerd. J Gust Cuppens, der 1989 im Grenz-Echo-Verlag das Buch »Was wirklich geschah - Malmedy, 17 Dezember 1944 (Die Kampfgruppe Peiper in den Ardennen)« herausgab. In diesem Buch, das in Kürze vom Grenz-Echo-Verlag neu aufgelegt wird (siehe anbei), ist von 21 getöteten Kriegsgefangenen die Rede. 55 der auf dem Denkmal verewigten Soldaten seien im Kampf gefallen, sechs seien nicht am 17. Dezember in Baugnez ums Leben gekommen und bei zwei aufgeführten Soldaten handele es sich um Vermisste, ergaben die Recherchen des Autors, der sich ab 1977 zehn Jahre lang intensiv mit dem Massaker auseinander setzte und zahlreiche Beteiligte aus beiden Lagern befragte.
Unglaubwürdig
Allerdings bezweifelt Alfred Bodarwé die Glaubwürdigkeit eines der Hauptzeugen dieses Buches, Henri Lejoly. »Seine Aussagen über meine Person in diesem Buch stimmen nicht mit der Wirklichkeit überein. Sie lassen mich annehmen, dass er es mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Und dann wäre da noch das ungeklärte Schicksal von Adèle Bodarwé. Ihr Leichnam wurde nie mehr gefunden. Für ihr Verschwinden gibt es bis heute keine Erklärung, aber ich vermute, dass Henri Lejoly mehr über ihr Schicksal wusste, als er preisgegeben hat.«
Quelle :
http://www.grenzecho.net